Versammlung "Mobilfunk + Volksbegehren", 06.07.05

Im Gasthof Fröhlich referierten auf Einladung des CSU-Ortsvereins der Richter Walter Häring, Scheyern, als Baujurist und Dipl. Physiker Th. Burke vom bayer. Landesamt f. Umweltschutz als technischer Fachmann. Anwesend waren ca. 70 Zuhörer, darunter einige Bürgermeister aus umliegenden Gemeinden sowie Stadt- und Kreisräte. Die Leitung und Moderation des Abends lag bei MdL Erika Görlitz, die sich als intensive Handynutzerin vorstellte und Ihre Haltung per Beispiel mehrfach untermauerte (siehe unten). Am Anfang trug Bgm. Westner vor.
Thematische Zusammenfassung:

Bgm. Anton Westner:
Reichertshofen hat lt. Mobilfunkkataster recht gute Belastungswerte, ausgenommen im Gebiet um den Oberen Markt durch die Sendeantenne von D1 auf dem Hotel.
der Hauptstandort "Silo Mühle" wird von Experten als "bestens" angesehen, neue Antennen seinen dort aufgrund des Besitzers jedoch nicht mehr platzierbar.
am heutigen Tag haben Vodafone und O2 signalisiert, dass der vom GR vorgeschlagene Standort "Grundstück Hainziniger" angenommen wird.
im Herbst, wenn die neuen Berechnungen vorliegen, wird eine Sonderbürgerversammlung veranstaltet.
Der MFB Telekom hat die Vorschläge des Bauausschusses (Hochbehälter, Mühle, Wasserhäusel) für eine UMTS-Antenne abgelehnt und stattdessen die Veränderung der bestehenden Sendeantenne auf dem Hotel am Oberen Markt durchgeführt. Bgm. Westner wird jedoch mit dem MFB nochmals verhandeln.

Richter Walter Hering:
eine Aufhebung der Genehmigungsfreiheit für Sendeantennen und 10m Höhe bzw. 10m³ Rauminhalt der Versorgungseinheit verändert nicht die Strahlenbelastung, weil die öffentlich rechtlichen Vorschriften (insbes. die Grenzwerte) eingehalten werden.
Der Beantragende hat Anspruch auf Erteilung der Genehmigung aufgrund der Gesetzeslage
  Die Regelungen im Bauplanungsgesetz unterliegen dem Bund und sind durch das Volksbegehren nicht tangierbar.
Das Ziel des Volksbegehrens "Einflussnahme durch Gemeinde" bringe nur Verfahrensverzögerung sowie Verwaltungs- und Kostenaufwand.
Das Bauplanungsrecht unterscheidet der Bereiche
- Bereich für den ein qualifizierter Bebauungsplan und eine Nutzungsordnung existiert
- Bereich Innenbereich
- Bereich Aussenbereich
Es können vier Typen von Bebauungsgebieten ausgeprägt sein in denen unterschiedliche Zumutungsgrenzen bzw. Emissionswerte zulässig sind (hier absteigend aufgeführt).
1. Industriegebiet / Gewerbegebiet
  hohe Emissionen zumutbar
2. Kerngebiet (zentrale Einrichtungen der Verwaltung, Geschäfte)
  Gewerbe ist zulässig wenn nicht "wesentlich störend"
3. Mischgebiet
  Wohnen und leichtere Gewerbe, welche das Wohnen nicht "stören" dürfen
4. allg./reines Wohngebiet
  "nicht störende" Gewerbe/Einrichtungen sind ausnahmsweise unbedingt zu genehmigen
bei den beantragten "isolierten Ausnahmen" ist der Ermessensspielraum der Gemeinde eingeschränkt, es geht nur um die Zulässigkeit
die Zulässigkeit ist ausschließlich von den Grenzwerten abhängig. Es besteht auch ein privilegierter Status der Telekommunikationsanlagen.
im Baurecht sind weder nachbarschaftsschützendes Recht, noch Rücksichtsnahmegebot, noch Gesundheitsrecht einbezogen.

Dipl. Physiker Th. Burke:
physikalische Grundaussagen zu el. Feld, Magnetfeld, elektromagnetische Welle
Handy erreicht bei Verbindungsaufbau fast Handy-Grenzwerte von 2W/m², damit weit über der "normalen" Belastung durch eine Sendeantenne.
Antenne, die mit 10 W Leistung sendet erreicht jedoch durch den "Antennengewinn" eine Leistung von ca. 630 W an effektiver Strahlung in Hauptstrahlrichtung.
es ist eine Hauptkeule und mehrere Nebenzipfel der Sendeleistung ausgeprägt
innerhalb der ersten 100m spielen die Nebenzipfel die Hauptrolle bei der Strahlenbelastung, erst danach gelten dann für die Hauptkeule die Gesetze des Abstandquadrats.
da Reflexionen auftreten, ergeben nur Messungen ein wahres Bild der Strahlenbelastung.
Netzausbau ist notwendig, da eine Zelle max. 100 Gespräche abwickeln kann.
um die Belastung der Handy-Nutzer zu verringern, müssen die Antennen näher an den Nutzer, deshalb auch in Wohngebiete.
Bestätigung der deutschen Grenzwerte, da es bisher keinen eindeutigen wissenschaftlichen Beweis für die Schädlichkeit der Mobilfunkstrahlung gebe. Zwar träten Effekte oder Wirkungen immer auf, wenn Ladungen vorhanden sind, aber gesundheitliche Auswirkungen müssten getrennt nachgewiesen werden.
(siehe dazu in Stellungnahme)
wissenschaftliches Wissen ist dann gegeben, wenn unabhängige Ergebnisse vorliegen, die nicht im Widerspruch zu anderen stehen.
Mobilfunkstrahlung sei sehr gut untersucht, z.b wurde eine Veränderung der Hirnströme festgestellt. Doch würden sich Gehirnströme auch ändern, wenn wir mit dem Augenlid zucken. Und diese Veränderung wird niemand als schädlich einstufen.
(siehe dazu in Stellungnahme)
Grenzwerte werden festgelegt über den Mechanismus Forschung -> Bewertung -> rechtl. Rahmen

MdL Erika Görlitz:
von den Handys gehe soviel Komfort und auch Nutzen aus, dass man die Belastung zugunsten des Allgemeinwohs und Allgemeininteresses tolerieren müsse. Wir würden wegen Asthmatikern auch nicht das Autofahren einschränken.
(siehe dazu in Stellungnahme)
Volksbegehren wird seitens der CSU nicht unterstützt


Die nachfolgende Diskussion war sachbezogen und diszipliniert. Es gab einige kritische Äusserungen zu den Ausführungen des Herrn Burke. Ein Diskussionsbeitrag hob deutlich hervor, dass die niedrigen und nahen Antennen das Kernproblem darstellen, nicht die allgemeine Belastung durch Mobilfunkantennen, und dass ein dichter Wald von schwachen Antennen eine gerechtere, gleichmäßigere Verteilung der Belastung wäre.

Stellungnahme:
Etliche CSU-Gemeinderäte waren anwesend, auch Gemeinderäte der JWU sowie Vertreter des Bund Naturschutz. Der Kreisverband der SPD hatte am Donnerstag, den 6.7.05 seine Bundeswahlkreiskonferenz in Allershausen, so dass diese Gemeindräte natürlicherweise abwesend waren.
Es war keiner der ortsansässigen Ärzte anwesend.

Die Ausrichtung des Herrn Burke war erkennbar auf der Linie des politischen Konsenses mit den Mobilfunkbetreibern. Seine Aussagen zielten auf maximale Verharmlosung bzw. Negierung jeglicher Risiken durch Mobilfunkantennen.
Er ignoriert völlig die Existenz tausendfacher Berichte über die gesundheitliche Beeinträchtigungen in der Nähe von Mobilfunkantennen, sondern fordert den "wissenschaftlichen Nachweis". Da es jedoch aufgrund der Komplexität niemals das Ergebnis geben kann "diese Dosis über diese Zeit führt zu dieser Auswirkung" stützt er sich hier zur Beibehaltung seiner Argumentation einfach auf eine Unmöglichkeit.

Seine Interpretation zu Veränderung der Hirnströme bestätigt dies. In unserem Gehirn laufen unzählige Prozesse ab, die unseren gesamten Körper steuern (Bewegungen, Gedanken, Emotionen, Hormonausschüttung, Blutdruck, ..). Eine Veränderung durch Strahlung darf er nicht einfach mit pysiologischen Vorgängen, also Änderungen, zur Köperregelung gleichsetzen. Vielmehr ist zu schließen, dass durch diese Beeinflussung das System gezwungenermaßen Notregelungen oder Ausgleichsmechanismen durchführen muss. Dieser Stress des Systems kann abhängig von Intensität und Dauer kompensiert werden oder nicht und dann eben zu Beeinträchtigungen oder Schädigungen führen.

Frau Görlitz hat eigene, positive Erfahrungen der Handynutzung. Sie untermauerte mehrfach Ihre Position mit dem Beispiel "Asthmatiker werden durch Autoabgase belastet, doch deswegen gibt es keine Beschränkungen des Autoverkehrs". Sie zeigte sich nicht dem Diskussionsbeitrag zugänglich, dass die Belastung durch Sendeantennen extrem ungleichmäßig und dadurch in höchstem Maße ungerecht verteilt ist und der Missstand der niedrigen und nahen Antennen ein eigentlich leicht vermeidbares Übel sind.
Die qualitativen Schwächen ihres Beispiels:
Der Missstand der niedrigen nahen Antennen zwingt zigtausenden von Menschen plötzlich und schlagartig eine hundertfach zum Teil gar tausendfach höhere Strahlenbelastung auf als Anderen. UND dies wäre technisch sehr leicht vermeidbar durch mehr Höhe, bessere Wahl von Standorten. UND man könnte HEUTE sehr leicht, sofort und höchst effektiv Einfluß darauf nehmen, wenn der Wille da wäre, OHNE irgend eine Einbuße bezüglich der Handynutzung.
Die Entfernung einer ungünstigen Antenne beseitigt einen Auslöser sofort, bei Asthmatikern ist diese Möglichkeit nicht gegeben.
Die Meinung "es gibt Andere, die etwas erdulden müssen, also sollte diese neue Belastung doch bitte auch akzeptiert werden" kann der Verfasser dieser Internetseiten nicht teilen.